Donnerstag, 6. April 2017

Die wütende Dicke


Schwangersein ist furchtbar. Abgesehen von Rückenschmerzen, Kurzatmigkeit und Sodbrennen leidet man unter groteskem Aussehen.
Das letzte Mal schwanger war ich vor zwei Jahren. Und auch diese dritte Schwangerschaft machte aus mir vorübergehend einen fettpflunschigen Wal.

Vor zwei Jahren also fuhr ich höchstschwanger zum Baumarkt.
Angestrengt ob meiner 28 Extrakilo schleppte ich mich durch die Regale, auf der Suche nach einem jener Baumarktangestellten, die ihren Arbeitsalltag damit zubringen, sich vor fragenden Kunden zu verstecken und in dieser Disziplin nach einigen Arbeitsjahren eine unvergleichliche Geschicklichkeit entwickeln.
Ich fand keinen. Dafür wurde mein Kennzeichen ausgerufen. Nach der zweiten Durchsage war ich restlos sicher: Der gesuchte Fahrer des Wagens, der sich bitte umgehend zur Kundeninformation begeben sollte, war ich.
Ich watschelte also in die Richtung, die mir von der Decke baumelnde Schilder wiesen. „Watscheln“ musste ich, weil die Schwangerschaft bereits so weit fortgeschritten war, dass von „gehen“ keine Rede mehr sein konnte.
Vorbei an der Sanitärabteilung, deren Spiegelschränke ich mit abgewandtem Gesicht passierte, entlang der Freischneider und Rasenmäher, dann hinter der Lampenabteilung links Richtung Ausgang. Ein Marathon im Entengang, erschöpfend. Schließlich aber fand sich die Kundeninformation. Keuchend erreichte ich die Zielgerade.
Und da stand sie: Im mittleren Alter, unheimlich wütend, unheimlich fett.
Talkshow-fett, Bildzeitung-fett, unfassbar elefantös, selbst noch neben meinem gesegneten Leib. Noch viel massiver als der ungewöhnliche Körperumfang der Frau aber war ihr Zorn, sie versprühte richtiggehend Funken.
Nämlich war es ihr nicht mehr möglich, konnte ich dem wilden Gebrüll entnehmen, in ihr Auto zu steigen, das in der Parklücke neben dem meinem stand. Sie bekam die Türe nicht weit genug auf, zu nahe stand mein Wagen an ihrem. Ob ich eigentlich nicht parken könne?
Das kann ich an sich schon, ich kann für gewöhnlich auch antworten, aber die Wut der Frau war von solcher Urkraft, dass sie mir schlicht die Sprache verschlug.
Neben der Frau stand ihr Begleiter, lang und dünn, der schweigend auf den Boden starrte.
Hilfesuchend wandte ich den Blick an die Mitarbeiter des Baumarktes, die offenbar alle aus ihren Verstecken gehuscht gekommen waren, um diesem Ereignis aus der Nähe beizuwohnen.
Von denen aber war keine Hilfe zu erwarten, die meisten grinsten diskret vor sich hin.
„Da gibt es nichts zu lachen“ röhrte die Dicke, dabei versprühte sie nicht nur Funken, sondern auch Speichelspritzer. Ich watschelte einige Schritte rückwärts, um Sicherheitsabstand herzustellen.
Dabei fiel wohl der Blick der Dame auf meinen medizinballgroßen Bauch unter den handballgroßen Brüsten. Der großzügig ausladende Hintern entzog sich ihren Blicken, standen wir doch vis-a-vis. Irgendetwas jedenfalls an diesem Anblick raubte ihr für einen Moment die Fassung, ihr Mund öffnete und schloss sich mehrmals, ohne dass ihm Worte entwichen.
„Sie!“ brüllte sie finalmente, und richtete ihren Zeigefinger anklagend gegen meinen Bauch. „Sie können mir doch nicht erzählen, dass Sie so aus dem Auto aussteigen konnten!“
„Na, ganz offensichtlich doch.“ gab ich nach einer kurzen Pause zurück. Touchè.
Es entstand ein Moment der Stille, in dem mein Hirn die Frage generierte, warum der lange, dünne Begleiter der Dame das Auto nicht einen Meter aus der knappen Parklücke heraus fuhr, um ihr den Einstieg zu erleichtern. Gerade als ich begann, diesen Gedanken zu formulieren, wurde ich von einem Baumarktmitarbeiter unterbrochen, der mir freundlich vorschlug, doch mein Auto umzuparken.
Das tat ich dann auch. Unter den Blicken der Wütenden, mit der ich mich gemeinsam keuchend auf den Parkplatz geschleppt hatte, quetschte ich mich ins Wageninnere.
Dass mein Auto mittig zwischen den Parkbuchtmarkierungen stand, während ihres rechtsbündig abgestellt worden war, erwähnte ich nicht mehr.

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