Samstag, 8. April 2017

Grau


Es ist Januar und es ist mild.
Die Sonne scheint, von den Dächern tropft es. Kies, ausgestreut um Passanten vor dem Ausrutschen zu bewahren, liegt schwarz in den Pfützen am Rinnstein, die sich morgens wieder heimtückisch mit Eis zugedeckelt haben und das Überqueren der Straßen gefährlich machen.
Überall verlieren die aufgeweichten Überbleibsel von Silvester ihre Farbe und verwandeln sich in Pappmatsch, der kaum zu unterscheiden ist von der Hundekacke, die jetzt überall aus dem schwindenden Eis auftaucht.
Ich laufe über das schwarze Kopfsteinpflaster und bin konsterniert ob der Menge der Hundehaufen. Sie sind unglaublich gut erhalten in Form und Farbe, nur den Geruch scheint das Eis mit sich genommen zu haben. Es sind viele. Hunderte, tausende Kilogramm Kacke, die da ungesehen unter Schnee und Eisdecke gelagert waren. Biomasse, ist die eigentlich brennbar? Falls ja, sehe ich hier eine echte Chance auf eine alternative Heizmethode. Man kennt doch das Klischee von Hindufrauen, die hinter den heiligen Kühen herlaufen, um deren Fladen erst zu trocknen und dann zu verheizen. Sicher könnte man Langzeitarbeitslose rekrutieren für diesen Job, den man dann nicht Scheißesammler, sondern irgendwie euphemistisch benennen könnte. Zwecks der political correctnes während der Namensfindung schlage ich den Vergleich zum Alchimistentum vor, das sich doch in etwa zum Ziel gesetzt hatte, Dreck in Gold zu verwandeln. 

Es ist April und viel zu kalt für diesen Monat. Grau draußen. Ich sitze vor dem Laptop und bemühe mich, den Lärm des Lebens mit den eigenen Worten zu übertönen.
Ich bin nicht depressiv.
Ich bin jung.
Neben mir steht Aufbackpizza, die vor einer Stunde noch warm war. Geschmacklich tut sich das nichts. Das erinnert mich an die winterlichen Tiefkühlhundehaufen vom vergangenen Januar.
Sind die nicht der unschlagbare Beweis dafür, dass der Zustand des Gefrorenseins dem Aroma abträglich ist? Die riechen doch nicht mehr nach dem Auftauen...?
Vielleicht starte ich eine Kampagne gegen Tiefkühlkost! Mit diesem Vergleich!
Der Gedanken gefällt mir. Das Ganze könnte ich ja damit begründen, dass Tiefkühlkost ökologisch einfach nicht zu vertreten ist. Mein grünes Mäntelchen.
Doch, ehrlich: Man muss sich mal den Spaß verbildlichen: Plakate für eine Tiefkühlkost? Nein danke! Kampagne zu designen: Man bräuchte Vorher-Nachher-Aufnahmen von Hundehäufen und Pizzazutaten. Einmal vor dem Einfrieren, einmal wieder aufgetaut: Der Hundehaufen sollte leicht mitgenommen aussehen, vielleicht ein bisschen eingefallen.
Da man Geruchsneutralität nur schwerlich fotografieren kann, schlage ich statt dessen einen dicken Stempel über das Bild vor: Stinkt nicht! Für das Nachherbild der Pizza nimmt man das übliche lätschige Ergebnis aus dem Umluftherd. Auch dieses Bild braucht einen Stempel: Schmeckt nicht! Sollte darauf stehen.
Naja. Ich stehe auf und laufe zum Spiegel. Nehme den Lippenstift und male meinem Spiegelbild einen Stempel: Denkt nicht! Finde das dann blöd, wische mit dem Ärmel und korrigiere: Stimmt nicht!

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